Zuchtstrategien von © Renate Färber (alle Daten Stand 2016!)
Jeder Züchter hat Zuchtziele, so unterschiedlich sie auch im Einzelfall sein mögen.
Um diese zu erreichen, kann man zunehmend auf Informationen setzen, die die Wissenschaft neu entdeckt, erarbeitet und für die breite Masse zugänglich macht.
Und die Wissenschaft macht nicht halt, sie wird uns in Zukunft noch mehr Werkzeuge als heute verfügbar, an die Hand geben können, die uns, den Züchtern, helfen, gesunde Hunde zu züchten.
Ganz selbstverständlich nutzen auch wir heute moderne Medien, die den Austausch von Informationen schnell und einfach machen. So z.B. die smooth collie database.
Einsatz der Molekulargenetik
Zunehmend können wir auf Gentests zugreifen, die Defektgene aufzeigen, so dass diese züchterisch bearbeitet werden können.
Neben den vom Club vorgeschriebenen Tests, machen Züchter zusätzliche Gentests, der Eine mehr, der Andere weniger.
Es wird in Zukunft noch mehr Genests für unterschiedlichste Erkrankungen genetischen Ursprungs geben und man muss die Frage stellen, wieso dies so ist. Labore sind Wirtschaftsbetriebe, Tests werden entwickelt, wo Nachfrage und Bedarf bestehen. Werden unsere Rassehunde also wirklich immer kränker? Und wenn ja, wieso?
Eine Faustregel in der Genetik besagt, dass eine hohe Gendiversität, also eine hohe Vielfalt an Genen, der beste Garant für die Gesunderhaltung einer Rasse ist.
Heterozytogie, also Mischerbigkeit, an möglichst vielen Genorten, ist die Grundlage genetischer Vielfalt und damit auch Grundlage der Fitness eines jeden Lebewesens.
Der Zusammenhang von Inzuchtniveau und Fitness ist beim Hund hinreichend bekannt. Wurfgröße, Lebenserwartung, Inzuchtdepression in Form von Leerbleiben der Hündin, Deckunwilligkeit des Rüden sind nichts Neues.
Wie hoch die Gendiversität tatsächlich ist, darüber geben Pedigrees keine Auskunft.
Wie also kann man feststellen, wie hoch die Gendiversität in den einzelnen Rassen tatsächlich ist?
Die Molekulargenetik bietet die Möglichkeit, die tatsächliche Größe eines Genpools zu ermitteln. Daraus resultierend ergeben sich dann Möglichkeiten zur Erhaltung und auch Erweiterung des Genpools einer Rasse. Ohne Grundlagenarbeit aber geht es nicht.
Mir bekannt sind zwei Labore, die sich, neben anderem, mit der Gendiversität unserer Hunde beschäftigen. Ein Labor in Finnland, MYDOGDNA, schrieb mir auf meine Anfrage:
…….unsere Diversitätsmessung umfasst das gesamte Hundegenom von 39 Chromosomen mit definierten 15.000 Genmarkern. Davon beziehen sich 100 Genmarker auf die Messung der DLA ( dies erst ab 2018).
DLA, Dog Leucozyt Antigene, sind eine Gruppe von Genen, die sich vornehmlich mit der Immunabwehr beschäftigen. Dazu später mehr.
Das gleiche Labor schreibt, dass gerade Collies, Langhaar als auch Kurzhaar, von besonderem Interesse sind, da diese Rasse/n nach den bisherigen Erhebungen, eine genetische Diversität unterhalb des Durchschnitts aller Rassen aufweisen.
Der Test
Die Informationen aus dem Test für genetische Diversität, werden u.a. anhand einer graphischen Darstellung sichtbar gemacht. Je mehr Hunde getestet sind, desto mehr „Punkte“ finden sich auf dieser genetischen Landkarte. Anhand der relativen Entfernung kann genetische Verwandtschaft erkannt werden. Clusterbildung bedeutet enge Verwandtschaft, weite Entfernungen bedeuten geringere Verwandtschaftsgrade, und zwar ungeachtet möglicher Pedigreeverwandtschaft.
Der Zwinger Diamondfox in Finnland hat seine Tiere bereits entsprechend testen lassen.
Für den Test wird lediglich ein Backenabstrich benötigt.
(Anhang Collie_Graph und Collie_Graph_2)
Das Labor FERAGEN in Österreich bietet derzeit einen Test an, der 170.000 Genmarker umfasst. Darin enthalten ist ein DLA (Haplotypen) Test, der auch als Einzeltest erhältlich ist. Eine ähnliche Darstellung wie bei MYDOGDNA wird im nächsten Jahr verfügbar sein, so daß jeder Nutzer selbst Abgleiche durchführen kann.
Der Nutzen für die Züchter
Die Entscheidung welche Verpaarung vorgenommen wird, wurde bisher neben anderen Erwägungen, aufgrund der Ahnentafel getroffen, was Inzucht bzw. Engzucht anbelangt. Die der Ahnentafel entnommenen Werte, wie Inzuchtkoeffizient oder Ahnenverlustkoeffizient, werden aber nur aufgrund des Pedigree berechnet. Was jeweils vererbt wurde von Vater und Mutter über all die Generationen, sieht man dem Hund von außen jedoch nicht an, abgesehen natürlich von den phänotypischen Ausprägungen.
Bei der molekulargenetischen Betrachtung wird der Inzuchtkoeffizient anhand der genetischen Verwandtschaft bestimmt und ist daher deutlich aussagekräftiger.
Für den Züchter kann diese Information eine Hilfe bei der Entscheidung sein, welcher der für eine Verpaarung ins Auge gefassten Rüden, die beste genetische Ergänzung zur Hündin wäre, um den Welpen eine optimale genetische Ausstattung mitzugeben.
Dog Leucozyt Antigen (DLA)
Am Beispiel des DLA Haplotypentest kann dies gut verdeutlicht werden.
Der Bereich dieser Gene ist, vor allem beim Hund, bereits recht gut untersucht. Wie oben schon erwähnt, ist DLA eine Gengruppe, die vor allem für den Bereich der Immunabwehr zuständig ist und beim Hund eine ausgeprägte Vielfalt aufweist. Mehr als 144 sogenannte Haplotypen, also Kombinationen sind in mehr als 80 Rassen gefunden worden ( Stand 2016). Um so erschreckender ist es, dass bei vielen Rassen diese Diversität drastisch reduziert ist.
So konnten z.B. bei einer Untersuchung bei Bearded Collies lediglich 7 Haplotypen nachgewiesen werden, wobei die Anzahl der häufig vorkommenden Haplotypen, bei 75 % der untersuchten Hunde, lediglich 2 betrug.
Dies ist besonders interessant im Hinblick auf die Zunahme von Autoimmunerkrankungen. Zahlreiche Untersuchungen zeigen Zusammenhänge zwischen den Haplotypen der DLA Klasse II und Autoimmunerkrankungen, wie z.B. Schilddrüsenunterfunktion, Diabetes etc.
Die Aufgabe der DLA Haplotypen der Klasse I und II liegt liegt nämlich v.a. In der Unterscheidung von körpereigenem und körperfremden Eiweiß
Die Autoimmunerkrankung ist ja dadurch gekennzeichnet, dass das eigene Immunsystem körpereigenes Eiweiß als fremd ansieht und bekämpft.
Was bisher getestet wurde
Inzwischen wurden 5 Hunde des CfBrH unterschiedlichster Herkunft einer DLA Haplotypenbestimmung unterzogen. Bei diesem Test werden jeweils 3 Gene des
Haplotyp 1 und Haplotyp 2 befundet.
In unserem Fall erhielten wir also 5 Werte je Haplotyp, d.h. in Summe 10 Werte.
Es zeigte sich, dass diese per Ahnentafel nicht nah verwandten Tiere über 8 identische Haplotypen verfügten. Lediglich zwei Rüden wiesen im zweiten Haplotyp einen anderen, zusätzlichen Wert auf.
Anhang Feragen 1_1, Feragen1_2 und Feragen 2_1, Feragen 2_2
Erläuterung des Labors:
die genetische Bestimmung der DLA Gene zeigt, ob der untersuchte Hund zwei gleiche Genkombinationen besitzt. Dies bedeutet, er ist reinerbig und besitzt eine eingeschränkte genetische Vielfalt in den analysierten Genen. Besitzt er unterschiedliche Genkombinationen verfügt er über die größtmögliche genetische Vielfalt in den analysierten Genen.
Es gibt zu einigen Rassen bereits größer angelegte Untersuchungen. So zeigt z.B.eine Studie beim Pudel, dass die Rasse noch über eine hohe genetische Varianz, also Bandbreite, verfügt. Wobei nur 30 % der Rasse über 70 % dieser Varianz verfügen, während in 70 % der Rasse kaum noch genetische Varianz zu finden ist.
Bestimmung der effektiven Zuchtpopulation
Eine weitere Faustregel in der Genetik besagt, dass eine Population langfristig nur überleben kann, wenn die effektive Zuchtpopulation mindestens 50 Tiere umfasst. Sie ist dabei hoch gefährdet, kann aber noch saniert werden ( Sommerfeld-Stur).
Zuchtpopulation bedeutet, dass nur Tiere, die in der Zucht Verwendung finden berücksichtigt werden, da nur sie ihre Gene weitergeben. Dabei dürfen sie über eine hohe Anzahl Generationen keine Verwandtschaft untereinander aufweisen.
Die effektive Zuchtpopulation errechnet sich nach Sewell Wright wie folgt:
Neff = 4 x (nm x nw) / (nm + nw)
(effektive Population = 4x (Deckrüden x Zuchthündinnen) / (Deckrüden + Zuchthündinnen)
nach Santiago und Caballero:
Neff = 0,7 x(4 x (nm x nw) / (nm + nw))
Deren Simulation wurde entwickelt, um den Effekt der Selektion auszugleichen.
Derzeit beträgt die Zuchtpopulation beim Kurzhaarcollie, in Deutschland im VDH, 183 Tiere.
Die von mir verwendeten Daten:
Körungen CfBrH, wobei lediglich Hündinnen berücksichtigt wurden, die tatsächlich im deckfähigen Alter sind ergab 103 Hündinnen.
Körungen CfBrH ergab 80 Rüden. (Smooth Collie Database ergab 77 Deckrüden)
Wenn man die Rüden, die mit den 3 Popular Sires der letzten 4 Generationen verwandt sind ( siehe hierzu auch Graphik Deckrüden ), rausnimmt, bleiben von den 80 Rüden lediglich 26 übrig. Wenn man nun annimmt, dass bei den Hündinnen das gleiche Verwandtschaftsverhältnis gilt, ergäbe das 33 Hündinnen.
Damit ergäbe sich dann, nach Sewell Wright, lediglich eine effektive Zuchtpopulation von 58 Tieren. Nach Santiago und Caballo sogar nur 40 Tiere.
Wie es tatsächlich steht, sieht eh jeder Züchter, der einen Rüden für seine Hündin sucht.
Inzuchtkoeffizient
In jeder geschlossenen Population erhöht sich von Generation zu Generation der Inzuchtkoeffizient. Angenommen, wir beginnen mit 50 nicht miteinander verwandten Tieren und lassen sie sich ungeplant miteinander vermehren, so erreicht der Inzuchtkoeffizient nach 10 Generationen 10 % und nach 30 Generationen 25%. Je größer die Population, desto langsamer der Inzuchtanstieg.
Als Züchter aber greifen wir in die Vermehrung ein und beschleunigen den Prozess ganz ungewollt dadurch, dass eben nur einige der Nachzuchten für die weitere Zucht genommen werden. Dies unterstreicht noch einmal ganz deutlich den verheerenden Effekt der Popular Sires.
Wesentlich für eine differenzierte Betrachtung der Zuchtpopulation ist immer auch der Einsatz der Deckrüden. Der Traum des Genetikers ist, ebenso viele Rüden in der Zucht einzusetzen, wie Hündinnen.
Zur Verdeutlichung:
beim Einsatz von 100 Hündinnen und 5 Deckrüden beträgt die effektive Zuchtpopulation lediglich 10 Tiere. Beim Einsatz von 10 Deckrüden bereits 36. Bei 20 Deckrüden bereits 67 Tiere.
Was läuft grade diesbezüglich?
In Grossbritannien läuft derzeit ein Projekt „Give a dog a genom“ für die Sequenzierung des Genoms von 77 Rassen. Damit wird eine weitere Grundlage geschaffen für umfangreiche rassespezifische Informationen und deren Verwertung im veterinärmedizinischen und züchterischen Bereich. Bereits im Jahre 2009 lief ein ähnliches Projekt des Kennel Club mit z.T. ernüchternden Ergebnissen.
In Großbritannien wird der Kurzhaarcollie übrigens bereits als gefährdete Haustierrasse geführt.
Interessierte Gruppen in verschiedenen Rassen nehmen sich der Problematik und der neuen Möglichkeiten an und lassen sich von Fachleuten informieren und beraten. So z.B. eine Gruppe Boxerzüchter und Deckrüdenbesitzer im Jahre 2017.
Noch ein Test?
Hunde sind letztendlich ein Produkt, eine Ware, Züchter sind haftbar, insofern sie Mängel zu vertreten haben. Wir erinnern uns noch an den Hype um den MDR1? Durch die große Aufmerksamkeit, die dem Thema auch in den Medien geschenkt wurde, haben immer mehr Welpeninteressenten Auskunft verlangt über den Status des Tieres. Unter diesem Druck wurde seitens der meisten Züchter sehr darauf geachtet die Mutation einzudämmen. Immer mehr Berichte in den Medien, z.B. „Pedigree dogs exposed“, machen Hundebesitzer auf Probleme in der Rassehundezucht aufmerksam. In Zukunft werden Welpenkäufer immer aufgeklärter sein und verlangen, dass, für einen hohen Welpenpreis, seitens des Züchters getan wird, was getan werden kann. Immerhin züchtern wir unter dem Siegel des VDH, garantieren gute Qualität und bieten keine Wühltischwelpen an.
Fazit
Eine molekulargenetische Untersuchung aller unserer Zuchttiere könnte uns Auskunft darüber geben, wie hoch die genetische Diversität noch ist. Je mehr Hunde diesbezüglich getestet wären, desto höher wäre der Informationsgrad. Daraus könnten dann Schlüsse gezogen werden, ob und inwieweit man aktiv werden muss, wie die Zufuhr „frischen Blutes“ bzw. eben anderer Gene sinnvoll gestaltet werden kann.
Da in der Rassehundezucht die meisten Rassen auf einige wenige Gründertiere zurückgehen und es in der Natur der Zucht liegt, genetisch einzuengen, wird die Molekulargenetik in der Zukunft der Rassehundezucht sicherlich als weiteres Werkzeug eine große Hilfe sein können, wenn es darum geht, unsere Rasse gesund und vital zu erhalten.
Wir dürfen uns hier nichts vormachen. Nur weil wir unsere Rasse heute noch als gesund ansehen können, kann sich das Blatt sehr schnell wenden. Auch in unserer Rasse gibt es zwischenzeitlich vermehrt Berichte über Autoimmunreaktionen. Eingreifen sollte man nicht erst, wenn drastische Maßnahmen erforderlich wären. Es sollte unserem züchterischen Ehrgeiz und Selbstverständnis entsprechen, sorgfältiges Monitoring zu betreiben
Dazu gehört auch und vor allem, dass Züchter bei jedem Wurf den sie planen, Verantwortung für die Rasse übernehmen. Es kann nie nur um diesen einen Wurf gehen.
Quellen:
MYDOGDNA Finnland
FERAGEN, Österreich
Sommerfeld-Stur, Rassehundezucht
Smooth collie Database
Züchteraussagen bzw. Homepagerecherche
Internetrecherche
Förderverein für wissenschaftliche Hundeforschung, Ulm
Dr. Bernd Hackauf, Kynologie Rassehundezucht auf dem Prüfstand
E.Groeneveld, Züchtungskunde
CfBrH Zuchtdaten
Institute of Canine Biology